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Prof. der Anatomie Carla Stecco, Padua:

Prof. Carla Stecco I.jpg

"80 % der freien Nervenenden liegen in den Faszien"

Wenn hier die wahrscheinliche Ursache von  Schmerzen  liegt,

sollte dann nicht auch hier zuerst behandelt werden?

Mit der Veröffentlichung ihres "Atlas des menschlichen Fasziensysstems" hat Prof. Stecco unser Verständnis von der Funktionsweise des Bewegungsapparates revolutioniert.

In der bisherigen Vorstellung fand Bewegung in den Gelenken durch Zug der Muskeln an den Knochen statt. Daher waren Probleme des Bewegungsapparates zunächst hier zu suchen. Die Behandlung von Affektionen erfolgte folglich in erster Linie über Kräftigung und Dehnung der Muskulatur  und der  Gelenkkapseln, sowie Querfriktionen an Sehnen. Diese vereinfachte Betrachtungsweise stösst jedoch schnell an Grenzen.

 

Strecken wir beispielsweise unser Knie, legt sich die Gelenkkapsel in Falten und darf dabei nicht unter der Kniescheibe eingeklemmt werden. Dies bewerkstelligt der Muskulus articularis genus. Nur wie soll er in unserem veralteten Bewegungsmodell wissen wann und wie stark er zu arbeiten hat? Prof. Stecco zeigte nunmehr auf, dass das Fasziensystem als feines, zusammenhängendes Netz alle anderen Organe des menschlichen Körpers  durchzieht und mit Nervenzellen geradezu gespickt ist.

 

Die funktionelle Faszientherapie geht daher davon aus, dass das Bindegewebe unsere Bewegungen bewergstelligt und sensorisch begleitet. In dieses System sind Knochen und Gelenke eingelagert, um eine gewisse Stabilität zu gewährleisten. Gelenke begrenzen also eher die Beweglichkeit als sie zu ermöglichen.

 

Tatsächlich findet Bewegung ja zwischen allen Bestandteilen des Körpers statt. Werfen wir einen Ball, werden sich in der Rotation des Rumpfes auch die inneren Orgene gegeneinander verschieben. Und die Muskelketten des Armes erfahren bei solchen endgradigen Bewegungsabläufen enorme Längenunterschiede. Die Nerven, Arterien und Venen in diesen Ketten sind hingegen nicht kontraktil und können die Veränderungen daher nicht so einfach mitmachen. Sie müssen zwangsläufig bei solchen Bewegungen auch mit ihren kleinsten Verästelungen in der Muskulatur gleiten können. Nur so ist gewährleistet, dass sie bei größeren Kontraktionen und Dehnungen nicht reissen oder gestaucht werden.

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So gesehen klingt es folgerichtig, dass 80 % der freien Nervenenden in den Faszien angesiedelt sind. Treten etwa Verklebungen zwischen Nerven und Muskulatur auf oder wird ein Band überdehnt, weil ein Gelenk nicht zentriert ist, meldet der Faszienapparat Schmerz und sorgt mittels Spannungsaufbau im Bindegewebe für den Schutz der betroffenen Strukturen.

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Daher macht es Sinn, in einer Behandlung zunächst Verklebungen des Fasziensystems aufzuspüren und zu lösen.

 

Hierfür sprechen aus Therapeutensicht  zwei Gründe:

Liegt die Ursache der Störung in Verklebungen, sind zum einen schon innerhalb einer Behandlung deutliche und anhaltende Erfolge zu erwarten.

Zum anderen ist für das Lösen dieser Verklebungen keine aktive Mitarbeit des Patienten erforderlich, sodass der Therapeut sich nicht genötigt sieht, dem mündigen Patienten Ratschläge für sein Leben zu erteilen, was das Therapeuten-Patienten-Verhältnis insbesondere gegenüber "Bewegungsmuffeln" deutlich entspannt. 

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Zum Schluss sei gesagt: Die bisherigen klassischen Techniken der Physiotherapie haben ihre Wirksamkeit zu genüge bewiesen und behalten selbstverständlich ihre Bedeutung. Die Faszientherapie versteht sich  als eine sinnvolle und  notwendige Ergänzung.

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